Einreiseformalitäten erledigt! Die Gruppe sammelt sich.


"Willkommen in Kenia!"


Fernstraße Nairobi - Mombasa: Der Schwerlastverkehr ruiniert die Fahrbahn


Die rote Staubpiste führt durch einen scheinbar menschenleeren Landstrich


Wir würden den Zeltaufbau nur verzögern, also irgendwie beschäftigen ...

Ankunft in Nairobi    -   "Jambo" im Dunkeln

Wir kommen aus dem wochenlang schwül heißen Deutschland. Etwas scherzhaft formulierte ich zuvor die Absicht nach „Afrika zu fliegen, um sich abzukühlen“. Als unser in Dubai gestarteter Flieger zur Landung ansetzt, haben wir frühen Nachmittag. Und der Pilot kündigt überraschenderweise 20°C an. Zwanzig Grad in Kenia am Nachmittag? 200 Kilometer südlich des Äquators? - Zunächst ist nichts vom Klima wahrnehmbar. Wir verlassen das „Schlachtfeld“ Airbus (so sieht es nach Langstreckenflügen immer aus) der Fluglinie „Emirates“ durch den üblichen metallenen „Hals“. Der „spuckt“ uns ins Flughafengebäude des „Nairobi International Airport“ und nach minutenlangem Fußmarsch finden wir uns vor der Passkontrolle wieder. Im Flieger haben wir bereits einen Einreiseschein in „Schweinchenrosa“ ausgefüllt, das Visum - mit 50 $ Cash bezahlt - prangt seit einigen Wochen in den Pässen. Da stehen wir nun in unserem Trekking-Outfit mit Bergschuhen und es geht nur langsam vorwärts - kenianische Gründlichkeit. Später werde ich für derlei Verwaltungsakte weniger geduldige Bezeichnungen wählen, weil uns der Ausreise-Einreise-Vorgang mehrfach aufhielt. Allerdings gilt es schon hier festzuhalten, dass uns alle kenianischen und tansanischen Beamten überaus höflich und meist freundlich lächelnd „bedienten“! - Wir wechseln in die parallele Warteschlange, in der Ines sich vorsorglich einreihte. Deren Bearbeiter legt ein ungleich höheres Tempo vor. Nach einem routinierten „How are you?“ und unserem „Fine, thank you“ macht sich der Grenzbeamte an die Erfassungs- und Stempelarbeit. Nach wenigen Sekunden sind wir eingescannt, haben Einreisestempel in den Pässen und können uns dem Förderband zuwenden, um die nicht ganz unwichtige Frage zu klären, ob unsere Trekkingsäcke das gastliche Kenia auch erreicht haben. Alles in Ordnung: Einmal „leuchtend-hellgrün, mit Reklame DAV-Summit Club“, und einmal „rot-blau, von Hauser gesponsert“, fahren nach kurzer Zeit auf uns zu. Soweit ist alles gut gegangen und das vorsorgliche Anziehen der Trekker-Grundausrüstung während des Fluges wäre gar nicht nötig gewesen. Aber weiß man’s vorher?

Ich hab’s gewusst! Natürlich will das „Fräulein vom Zoll“ ausgerechnet einen unserer Trekkingsäcke untersuchen. Also Schlüssel rauskramen. Den dicken, rot-blauen will sie kontrollieren. Na wenigstens das. Da ist außer zwei aufgerollten Isomatten und den fetten Schlafsäcken nicht viel drin. Ob die sich manchmal nicht auch ein klein wenig lächerlich vorkommen, wenn sie in den Habseligkeiten offensichtlich harmloser Trekking-Touristen aus Europa rumwühlen? Jedenfalls lässt die Dame nach ein paar Sekunden schon wieder ab von ihrem Tun, versucht nicht einmal in eine der Tüten zu sehen und gibt uns endgültig den Weg in den schwarzen Erdteil frei …

Die Gepäckkarre vorneweg geht’s in die Eingangshalle. Wir halten Ausschau nach dem Empfangskomitee. Und da winkt auch schon einer mit einem Blatt Papier. Drauf steht: „Hauser Exkursionen“. Wir werden zu den anderen bugsiert und erleben eine Überraschung. Angekündigt waren insgesamt vier Teilnehmer, von Matthias, Inge und Roland strecken sich uns aber drei Hände zur Begrüßung entgegen. Flugs ist die Fünfer-Zweckgemeinschaft für die nächsten 11 Tage begründet.

Der Himmel ist zu drei Vierteln wolkenverhangen und die Temperatur beträgt tatsächlich kaum mehr als die im Flieger angekündigten 20°C. Angenehm! Die Seesäcke stapeln sich im Heck des kleinen Safari-Busses von Fahrer „Ali“. So heißt er nicht, dennoch muss ich ihn so nennen, da sein Name irgendwie auf „-ali“ endete und wir den vollen Wortlaut zwar zweimal erfragten aber ebenso oft vergaßen. Wir rollen aus dem Parkplatz in den starken, afrikanisch geprägten Verkehr des Flughafenareals. Afrikanisch geprägter Verkehr? Was das ist? Da bewegt sich jede Art von knatterndem, rumpelnden Vehikel, viele Autos zerbeult, andere uralt. Gleiches gilt für Lkw, von denen einige eine Rußfahne entwickeln, die jeden tätigen Vulkan vor Neid erblassen ließe … Nach ein paar Minuten ist die Verbindungsstraße Nairobi - Mombasa erreicht. Von der eigentlichen City werden wir nichts zu sehen bekommen. Ali reiht sich in den lockeren aber schier endlosen Konvoi von Lkw ein und schafft es von Zeit zu Zeit einen zu überholen. Immerhin handelt es sich bei dieser Straße um den wichtigsten Gütertransportweg des ganzen Landes. Sicher die meisten der in Mombasa per Schiff ankommenden oder abgehenden Waren passieren diese Straße. Die in etwa parallel zur Straße verlaufende Eisenbahnlinie kommt als Transportalternative kaum in Betracht. Wir kennen die Zugverbindung von einem Besuch vor 13 Jahren. Damals bewältigten wir die Strecke Nairobi - Mombasa im Schlafwagen und waren bei Tagesanbruch noch immer nicht angekommen. Ein wackeliges, extrem langsames Reisevergnügen. Und die Schienen sehen jetzt auch nicht vertrauenerweckender aus als vor 13 Jahren.

„Karibu Kenya“ - „Willkommen in Kenia“ - steht auf einem überdimensionalen Werbeschild einer weltweit bekannten „Limonadenfabrik“. Ach ja: Wir fahren links! Erstes sichtbares Zeichen für die Vergangenheit des Landes als englische Kolonie und späteres Mitglied des British Commonwealth. Später werde ich mich wundern, wie schnell mein Kopf den Wechsel von der rechten auf die linke Fahrbahnseite vollzogen hat und es wird mir sogar schwer fallen, mir ein Lenkrad auf der linken Fahrzeugseite vorzustellen. Vier Stunden Fahrt haben wir vor uns und meine anfängliche Vorfreude auf Eindrücke und Fotos rechts und links der Strecke vergeht ein bisschen, wenn uns der verheerend schlechte Zustand der Fahrbahn wieder einmal gehörig durchrüttelt. Nicht nur Schlaglöcher, in denen ein mitteleuropäischer Kleinwagen locker verschwinden könnte, stellen eine Gefahr dar. Streckenweise haben die Schwerlaster Spurrillen im Asphalt hinterlassen, deren Wülste ungelogen mehrere Zentimeter hoch aufragen. Wenn der Gegenverkehr es zulässt, weicht Ali auch schon mal für ein paar hundert Meter auf die Gegenfahrbahn aus - allerdings ist die oft auch nicht viel besser beschaffen. Dass dieses Rattern und Rumpeln vergleichsweise harmlos ist, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen …

Pause: Ali lässt den Bus auf dem Parkplatz einer Tankstelle vor einem kleinen Shop ausrollen. Gelegenheit die ersten der im Flughafen eingetauschten Kenya-Shilling (1$ = ca. 70 KSh) auszugeben. Wasser brauchen wir und ein paar Knabbereien wollen wir. Roland kauft Kekse. Auf der Packung steht groß „Marie“. „Marie“ wird uns während des Trekkings zum Synonym für die süße Leckerei. Ich streiche ein wenig unentschlossen und verstohlen auf dem Gelände der Tankstelle herum. Natürlich drängt es mich ein paar Fotos zu machen (mit insgesamt vier Gigabyte Speicher im Gepäck hab ich auch reichlich Platz dafür). Aber ich trau’ mich nicht. Ich bin zu befangen, um das drohende, schwarze Rohr auf irgendeine Szene oder zufällige Passanten zu richten. Denn natürlich sind wir Weißen hier im Moment die Attraktion. Alle beobachten uns mehr oder weniger offen und neugierig.

Wieder im Bus und auf der Rüttelstraße, wende ich mich einem Teil meines Einkaufs zu: kenianische Kartoffelchips. Beinahe augenblicklich erreicht der stechende Geruch meine Nase, als ich die Packung zerreiße: Essig!??? Vorsichtig schiebe ich mir einen Chip in den Mund und in der Tat schmeckt er intensiv sauer. Ungewohnt, merkwürdig aber trotzdem schmackhaft - zumindest für mich. Sowohl Ines als auch die anderen kosten praktisch nur einmal davon und geben mehr oder minder launige Kommentare. Mir schmecken die Dinger und schon nach wenigen Kilometern hab ich sie mir vollständig einverleibt … Dann sind die Macadamia-Nüsse an der Reihe: Die finden allenthalben wohlwollende Beachtung und sind gleichfalls nach geringer Teilstrecke in den Verdauungstrakten verschwunden … Draußen wird es immer dunkler. Das liegt nur zum Teil an der Tageszeit, Spätnachmittag, vor allem ist es eine jetzt geschlossene, stellenweise düstere Wolkendecke, die nur noch wenig Licht durchlässt. Schlecht für mich und meine Kamera. Da brauche ich erst gar nicht aus dem fahrenden Auto zu schießen und auf kurze Verschlusszeiten zu hoffen, die das Verwackeln in Grenzen halten würden.

Interessant und für hilflose Insassen ein wenig beruhigend ist das Fahrverhalten der Kenianer: Ohne großen Protest und wie selbstverständlich bremst auch der Vorfahrtberechtigte, wenn sich mal wieder einer in der Länge eines Überholmanövers verschätzt hat. Oder hat er sich gar nicht verschätzt und vertraut einfach auf die Bremsreaktion des Gegenverkehrs? - Und dann, nach ca. zwei Stunden Fahrt, ist der unruhige Ritt auf der Mainroad A 109 ganz plötzlich zu Ende. Ali biegt nach rechts, offensichtlich Richtung „Chyulu Range“ ab. Das schwarze rissig-wellig-löchrige Asphaltband wird von der roten Erde einer ausgefahrenen Piste abgelöst. So bleibt es beim unruhigen Schütteln. Zusätzlich zieht der Bus nun eine sicher meilenweit zu sehende Staubfahne hinter sich her. Die schlägt bisweilen über dem Gefährt zusammen, wenn ausgesprochen schlechte oder tückische Pistenabschnitte im Schritttempo zu überwinden sind. Noch bin ich „verkehrstechnisch zu wenig akklimatisiert“. Von Zeit zu Zeit hab ich schon ein bisschen Angst, unser Fahrer könnte die Gewalt über sein Auto verlieren … Seit einer Weile schon war sie ganz still und ich hätte es merken müssen, war jedoch zu sehr in die Beobachtung dieser fremden Welt versunken. Meine Frau muss mal. Ich kenne das von heimischen Autobahnfahrten. Sie will nicht lästig sein und hält eine ganze Weile heldenhaft aus, bis es dann, kurz vor der Katastrophe, nicht mehr geht: „Ali, please stop the car!“ Mitten im Nichts (?) halten wir. Ich nutze die Gelegenheit für ein paar Fotos im Halbdunkel der hereinbrechenden Nacht.

Tiere sehen wir während dieser Auftaktfahrt auch schon: Irgendwann ragten abseits der Hauptstraße die Hälse mehrerer Giraffen aus dem Grün. An Zebras, ein paar Strauße, Antilopen und Vögel mit herrlich blau schimmerndem Gefieder erinnere ich mich auch. Insbesondere Roland ist davon sehr ergriffen. Er war noch nie in Kenia und weiß somit auch nicht, was ihn später im Amboseli Nationalpark erwarten wird …

Ali hält den heftig schlingernden Bus auf Kurs und braust mit einem „Affenzahn“ über die konstant schlechte Piste. Eben hat er uns erklärt, dass wir demnächst unseren Guide „abholen“ werden!? Vielleicht haben wir uns nur verhört? Wo will er hier in der menschenleeren Einöde jemand abholen? Aber so menschenleer scheint die Gegend gar nicht zu sein. Nach anderthalb Stunden Fahrt auf der Staubpiste hält er vor einer hölzernen Hütte. Man erkennt zwei Farbige. Einer davon steigt neben Ali auf den Beifahrersitz und stellt sich als unser Guide für die nächsten beiden Tage vor. Er ist Massai und heißt „Ennok“. Derweil hat Ali den Bus schon wieder auf Geschwindigkeit gebracht und fragt Ennok an einer Abzweigung nach dem Weg. Weiter geht die rasende Fahrt in die kenianische Nacht.

Es ist nun dunkel. Ich meine es ist wirklich dunkel! „Nacht“ bedeutet bei uns zu Hause ja meist nur, dass die natürliche Beleuchtung von oben fehlt und durch mindere aus irgendwelchen Leuchtquellen der Umgebung ersetzt wird. Seinen Weg verfehlt man dann auch kaum. Aber hier ist es wirklich schwarz-dunkel. Im Scheinwerferkegel rast Ali mit unverminderter Geschwindigkeit unserem Ziel zu. Ein Ziel, von dem uns nur bekannt ist, dass es in oder in der Nähe der „Chyulu Mountains“ liegt und wir dort im Zelt schlafen werden.

Die Piste führt durch Grasland - so viel ist sicher. Und sie ist weniger ausgefahren, als vor der Abzweigung. Am Verhalten der beiden auf den Vordersitzen kann ich ablesen, dass sie jetzt nach dem Lager suchen. Ali benutzte wiederholt das Funkgerät, das zwischen Fahrer und Beifahrer unter dem Wagendach hängt. Ihre Blicke suchen die Umgebung nach irgendwelchen Lichtzeichen ab. Dann scheinen sie plötzlich etwas gesehen zu haben. Der Bus stoppt. Ali lenkt ihn von der Piste nach links ins weglose Gras und tritt wieder auf's Gaspedal. Meine Augen können draußen außer Dunkelheit nichts erkennen. Zwei Minuten später nimmt uns eine andere Fahrspur in der Savanne auf, der wir auf einen sanften Hügel folgen. Vor einer Busch- und Baumgruppe warten sie. Ein paar Männer in einem Jeep. Im spärlichen Licht unserer Scheinwerfer ist nichts erkennbar, was einem Lager gliche. Allgemeines „Jambo“ im Dunkeln. Nach kurzem Palaver der Truppe verstehe ich, warum noch nichts vorbereitet ist. Alle Zelte befinden sich auf der letzten Sitzreihe unseres Kleinbusses. In den nächsten 30 Minuten müssen wir mit ansehen, wie der schwarze für den weißen Mann arbeitet und kommen uns reichlich nutzlos vor. Irgendwer (war ich es selbst?) macht dann die einigermaßen befreiende Bemerkung, dass es sicher deutlich länger dauern würde, wenn wir uns beim Aufbau der Zelte einmischten … Im übrigen bin ich müde, fühle mich lust- und antriebslos, zerschlagen und irgendwie deplatziert. Um wenigstens irgendwas zu tun, klappe ich mir einen der herumliegenden Campinghocker auf und schreibe auf den Knien die Ereignisse des ersten Tages in meinen Notizblock. Mal sehen wie es weitergeht. Vielleicht fehlt mir ja nur Schlaf. Ein paar Stunden im ersten Flieger von München nach Dubai und auf der Fahrt hierher immer wieder eingenickt, das reicht eben nicht.

Dann stehen die Schlafzelte und wir können uns ans Einrichten machen: Selbstaufblasende Isomatte auspacken und ausrollen, Schlafsack vorbereiten, Klamotten bereit legen. Ich wechsele die Hose und entdecke dabei einen kleinen „Krabbler“ auf meinem Bein. Da ergreift mich schon ein bisschen Panik, weil ich das Tierchen ohne Brille für eine Zecke halte und schnellstens nach draußen befördere. Die paar Minuten blinden Herumstapfens im Gras des Lagerplatzes, der nur von Autoscheinwerfern notdürftig erhellt wurde, haben also genügt, mir einen kleinen Besucher zu verschaffen. Egal, ob es eine Zecke war oder nicht, ich nehme mir vor ein wenig mehr Acht zu geben. Dann - eine Stunde mag seit der Ankunft verstrichen sein - kommt das Signal zum „Dinner“. Ich erinnere mich nur noch, dass es in rechteckigen Plastikdosen bereit gestellt wurde, schmackhaft war und reichlich. Der Rest des kurzen Abends, bei einer Tasse Pulverkaffee oder Tee, dient dem gegenseitigen Abtasten, mit wem man nun die nächsten Tage Erlebnisse und Eindrücke teilen wird …