Verkehrsszene vor der Post in Loitokitok


Der Reichtum der Massai: Große Tierherden


Die Giraffe hat sich "verlaufen" und den Nationalpark verlassen ...


Zebras, Gnus und Antilopen so weit das Auge blickt ...


Einer der vielen "Minitornados" fegt über die Savanne


Sie kommen! Durstige Elefanten auf dem Weg zum Wasser ...


"Ein Traum von einem Zimmer" in der "Amboseli Serena Lodge"


Büffel in einem der Sümpfe des Amboseli Nationalparks


Des Hobbyfotografen und Tierfreundes Traum: Elefanten vor dem Kilimanjaro


Ein Grasbüschel als "Wegzehrung"


Sonnenuntergang über der Savanne




Im "Amboseli Nationalpark"  - 
                                        Der Tag der Elefanten

Bis zum Frühstück um 7:30 Uhr haben Ines und ich die Trekkingsäcke schon gepackt, und nach Tagen bin ich wieder einmal rasiert. Dadurch tritt aber nur zu Tage, wie übel mir die Sonne am „Kili“ im Bereich der Nase mitgespielt hat. Ein bisschen weniger Dummheit und mehr Sonnencreme hätten mir das allerdings erspart. - Es bleibt auch noch Zeit, um draußen kurz in die wärmende Sonne zu blinzeln. Über dem mit Liebe angelegten Garten des Quartiers lässt sich der Anblick des „Kibo“ vor blauem Himmel genießen. Der Schnee von gestern früh ist vollständig verschwunden.

Das Frühstück zieht sich in die Länge. Dafür ist wieder „Schildkröte“ verantwortlich. Quälend langsam und mit völlig unbeteiligter Miene lässt sie uns immer wieder auf dies und das warten. Alle vermissen den aufgeweckten und superfreundlichen Kellner, der während unseres ersten Aufenthaltes servierte. Und da waren alle Tische besetzt! Vollends unserem Spott preisgegeben ist „Schildkröte“, als sie nach dem Wunsch die Getränke des Vorabends zu zahlen, wirklich etliche „Gänge hochschaltet“ und fast Normalgeschwindigkeit erreicht. Die Aussicht auf Geld, scheint ihr in besonderer Weise Beine zu machen …

Viertel vor elf. Wir verlassen die „Kibo Slopes Cottages“ und rumpeln die Dorfstraße hinauf, um in der Post von Loitokitok Briefmarken zu kaufen. Diese Absicht scheitert, weil keiner mehr über kenianische Schilling verfügt und Dollar als Zahlungsmittel nicht angenommen werden. Unverrichteter Dinge aber mit ein paar schönen Fotos der Ortschaft und ihrer Menschen im „Kasten“, brechen wir zur Grenzstation von Loitokitok auf. Wir sind ja noch gar nicht in Kenia eingereist! Und ohne Einreisestempel im Pass, würde man uns übermorgen am Flughafen als illegal Eingereiste einstufen. Nach Ausfüllen des Einreiseformulars (Seufz …) habe ich einfach Lust auszusteigen, schnappe mir Formulare sowie Pässe und bringe sie selbst ins Office. Dort finde ich einen jungen, sympathischen Polizisten, der sich zuerst überaus freundlich nach meinem Befinden erkundigt. Das ist ausgezeichnet und seines ebenso. Und schon lächeln einander ein schwarzes und ein von der Sonne gezeichnetes, ursprünglich weißes Gesicht an. Dann erklärt er mir, dass man erst noch den Beamten des „Immigration Office“ holen müsse und schickt auch sogleich jemanden los. Pole, pole auch hier. Die nächsten dreißig Minuten vergehen mit ein paar Fragen und Antworten zum Woher, Wohin. Außerdem fasse ich mir ein Herz und frage ihn, ob man die dekorativ über dem Haus im Himmelblau wehende Fahne des Landes fotografieren dürfe. Eine entsprechende Frage von Inge hatte Matthias unter Hinweis auf die geltenden Gesetze verneint. „Oh, this is not a big deal“ antwortet der Polizist mit wohlwollendem Lächeln und ich mache Inge ein entsprechendes Zeichen. So nützen sie, Matthias und ich die Gelegenheit, um ein wenig Speicher an die kenianische Landesflagge zu verschwenden. In mir macht sich ein seltsames Gefühl des Dazugehörens und der Sicherheit breit, obwohl wir hier mit Sicherheit Fremdkörper sind. Ich kann das nicht erklären. Das bisher erfolgreich verlaufene Abenteuer, der schöne Tag und die erfreuliche Begegnung mit dem Polizisten sind aber sicher die entscheidenden Zutaten.

Ines hat das bekannte Problem. Roland erkundigt sich für sie nach einer Toilette, die es wohl auch in einem Nebengebäude jenseits der Straße gibt. Aber sie ist abgeschlossen - heißt es. Also schickt man jemanden den Schlüssel zu holen. Zehn Minuten trippelt Ines von einem Fuß auf den anderen, und ich leide mit ihr. Als der Schlüssel endlich gebracht wird, stellt sich das Gelass als unverschlossen heraus. Ali quittiert’s mit Kopfschütteln und Lächeln. Lächeln ist wichtig in diesem Land. So wichtig wie „Pole pole“. Wer das beherzigt, kommt schon ein ganzes Stück weiter.

Nach einem herzlichen „Good luck“ brausen wir an der Spitze einer langen Staubwolke in Richtung Amboseli National Park los. Hinter uns bildet der „Kili“ ein prächtiges Panorama. Als auch noch etwa hundert Meter querab vier Zebras auf einem abgeernteten Maisfeld in Sicht kommen, veranlasse ich Ali zu einem Fotostopp. Außer zwei Fotos nehme ich auch noch eine gehörige Portion Pistenstaub an Schuhen und Hose mit in den Bus - und nicht nur ich. Trocken ist das Land hier, und nackter Boden wechselt mit Buschlandschaft ab. Mehrmals passieren wir Hirten der Massai, die große Herden mit Rindern, Schafen oder Ziegen zur Weide treiben. Wenige Fahrminuten vor dem Eingang zum Park gibt sich eine Giraffe die Ehre. Die Tiere finden im Park beste Bedingungen, lassen sich von Grenzen auf Landkarten aber nicht davon abhalten, auch mal außerhalb auf Nahrungssuche zu gehen.

Zur Mittagszeit endet die nur 30 km lange, staubige aber kurzweilige Fahrt von Loitokitok zum Amboseli Park am „Kimana Gate“. Das Geschehen kennen Ines und ich noch von unserer Safari vor 13 Jahren: Während Ali am Schalter die Eintrittsgelder für Passagiere und Fahrzeug bezahlt, bieten Massai uns vor den Autofenstern ihre Waren an - bunte Ketten, Halsschmuck, Armbänder, dekorative Speere und allerlei mehr. Die fliegenden Händler-Innen sitzen vor jedem der Parkeingänge stundenlang im Schatten und warten auf herannahende Touristen in Jeeps oder Kleinbussen. Bei uns haben sie kein Glück. Trekker sind wohl eher weniger an Souvenirs interessiert als andere Touristen.

Ali hat endlich das Formular für die Safarizeit im Park erhalten und steigt ein. Das Tor öffnet sich für uns zu einem Ort, mit dem sich wunderbare Erinnerungen verbinden. Hinter dem Tor halten wir noch einmal kurz. Ali kommt nach hinten und öffnet das Dach des Kleinbusses. Über ein Gestänge wird es nach oben ausgestellt. So kann man in der Dachöffnung stehend beobachten und ist zugleich vor der Sonne geschützt. Auf einer der Hauptpisten fahren wir Richtung „Amboseli Serena Lodge“, unserer Unterkunft für heute. Alis Fahrweise ändert sich dramatisch: Pole pole lässt er das Fahrzeug hier rollen. Gleichzeitig hält er Ausschau, ob sich Tiere am Pistenrand zeigen. Weitere fünf Köpfe tun es ihm gleich. Nur Minuten sind vergangen, als wir „unser“ erstes Tier im Park sichten - ein Gnu. Ich weiß, dass das verschwendeter Speicher ist, denn Gnus werden mir noch zu Hunderten vor die Linse laufen, trotzdem fotografiere ich das Tier. Ein paar Meter weiter haben es sich Gnus im Schatten einer Akazie gemütlich gemacht und dort drüben - gleichfalls unter schattigem Geäst - stehen vier, fünf Zebras. Rechts voraus sind mächtige Staubwolken ziehender Tiere auszumachen. Beim Näherkommen mischen sich Enttäuschung und Verwirrung: Massai sind mit riesigen Herden unterwegs! Dabei glaubte ich zu wissen, dass der Park tabu ist für Weidetiere. Ali klärt mich dahingehend auf, dass sie ihre Tiere nur zur Tränke führen und dann den Park wieder verlassen.

Tränke? Ich weiß, dass es im Amboseli Park viele Wasserstellen, sogar einen See und Sümpfe gibt, die ihr Wasser von den Hängen des Kilimanjaro beziehen. Wasser ist ein Magnet für die Tiere. Richtig! In einer weiten, baum- und buschlosen, grünen Senke mit Wasserlöchern präsentiert sich eine beeindruckende Ansammlung von Thomsongazellen, Zebras und Gnus. Hunderte der Tiere grasen friedlich und weit verstreut im Gelände. Dort wälzt sich ein Zebra voller Lebenslust im Staub der Savanne. Leben wohin man blickt. Ali hält immer wieder an, Muße zum Schauen und Fotografieren. Auch auf der anderen Seite des Busses gibt es etwas Beeindruckendes zu sehen! Eine von zahllosen Windhosen, die sich ständig über dem heißen Boden entwickeln. Hundert oder noch mehr Meter reißt so ein Minitornado den Staub in seinem Zentrum nach oben. Das Schauspiel dauert jeweils nur Minuten, dann bleibt nur noch eine langsam im Wind treibende Staubfahne.

Der Bus rollt wieder an, kommt aber nicht weit. Denn es bahnt sich DIE Sensation an. Wir, das heißt Ines und ich, hatten es erhofft aber nicht daran geglaubt. Und schon gar nicht so schnell. Wir haben es schon einmal so erlebt - vor 13 Jahren. Eine Herde durstiger Elefanten kommt auf unseren Standort zu, der zwischen ihnen und dem begehrten Wasser liegt!!!

Also, ich muss das jetzt erklären, sonst versteht man meinen in oder zwischen den Zeilen spürbaren Adrenalinstoß nicht. In diesem Auto sitzen zwei Elefantenverrückte! Zwei, für die Elefanten mehr sind - weit mehr - als einfach nur traumhaft schöne Tiere! Ines ist die Eine und Roland der Zweite! Elefantenbilder, Elefantenbücher, Elefantenschlüsselanhänger, Elefantenfilme im Fernsehen und auf einem Video - das und mehr gibt’s bei uns zu Hause. Elefanten im Zoo machen sie eher traurig und Elefanten in Afrika, frei und ohne Einschränkungen lebend, treiben ihr Tränen in die Augen und geben ihr ein Gefühl von Angekommensein. Kein Tier fasziniert sie mehr, kein heimisches und kein exotisches. Und Roland? Der hat sich gleichfalls als Elefantenverrückter geoutet. Zwei lang gehegte Träume trieben ihn nach Afrika: Einmal auf dem Gipfel des Kilimanjaro stehen und Elefanten in freier Wildbahn erleben. Nun erfüllt sich auch noch der zweite …

Ali positioniert das Auto exakt so, dass die Herde wenige Meter vor uns die Piste queren wird. Nichts kann das Spektakel mehr aufhalten. Sie kommen, sind noch 100, 90, 80 Meter entfernt, etwa 15 Tiere aller Altersstufen. Trotz ihres Gewichts bewegen sich die Kolosse mit erstaunlicher Eleganz. Rüssel und Ohren wippen im Rhythmus ihres langsamen Schritts. Atemlose Stille im Bus, Motor ist aus, sie sind heran, meine Kamera schießt Bilderserien. Kurz beäugt das Leittier den weißen Kleinbus, ignoriert ihn dann, wie zahllose zuvor. Instinkt und Erfahrung taxieren das Ding als gefahrlos. Die ersten Elis überqueren die Piste, Staub wirbelt unter ihren tonnenschweren Schritten auf. Die Elefantenkinder werden von ihren stärkeren Geschwistern und Eltern in die schützende Mitte des Konvois genommen. Ein fantastisches, unglaublich schönes Schauspiel. - - - Sie sind vorbei, zeigen uns die großen Hinterteile mit lustig schlenkernden und in einer Quaste auslaufenden Schwänzen. Immer kleiner werden ihre Silhouetten, bald werden die Elis ihren Durst stillen … Ich sehe in das Gesicht meiner Frau und kann mir nur ungefähr vorstellen, welcher innere Aufruhr sich da gerade vollzieht …

Fast tun mir die Affen leid, die sich einen Kilometer weiter neben der Strecke um unsere Gunst bemühen - aber nach DIESEM Erlebnis …? 20, 30 Tiere halten da ihre Mittagsruhe oder was Affen eben so unter Ruhe verstehen. Sich gegenseitig lausen, auch mal kurz streiten, unmotiviert losflitzen oder einfach nur auf einem Stein sitzen und uns angucken. Es ist schon lustig ihnen zuzusehen. Aber mit mir und den Affen - das ist so eine Sache. Obwohl sie uns von allen Vertretern des Tierreichs am nächsten stehen, interessieren sie mich am wenigsten - na ja, vielleicht, weil mir ihr Getue so bekannt vorkommt …

Um 13 Uhr öffnen sich für uns die Tore der „Amboseli Serena Lodge“. Vor den Toren sitzen Massaimänner und -frauen in traditioneller Tracht. Der übermächtige Eindruck, es könne sich dabei um eine von der Lodge bezahlte Gruppe handeln, die quasi die ansonsten nur staubig hässliche Einfahrt „verschönert“, verstärkt sich später bei jeder Ein- und Ausfahrt. Dafür spricht auch, dass sie nichts verkaufen wollen. - Unter schattigen Bäumen hält Ali. Sofort ist Personal der Lodge da, um sich unserer Trekkingsäcke zu bemächtigen. Derweil genießen wir einen überaus angenehmen Service. Ein prächtig anzusehender Massai reicht uns formvollendet mit einer Zange ein eingerolltes Tuch aus bereitstehendem Korb. Das Tuch ist feucht, warm und duftet intensiv nach Fruchtessenzen. Nachdem Gesicht, Hals und Arme damit abgewischt sind, steht die Sinnhaftigkeit dieser tollen Überraschung nicht mehr in Frage. Der vorher reinweiße Lappen enthält nun einen netten Teil des Pistenstaubes zwischen Loitokitok und der Lodge. Nächste Station ist eine Sitzecke nahe der Rezeption. Ein Willkommensdrink wird gereicht, und eine Angestellte bringt uns eine Karte zum einchecken. Unübersehbar ist der Luxus an diesem Ort. Der wird immer dichter, als wir wenig später unser Zimmer betreten, das ganz am Ende der wirklich wunderschönen, ins örtliche Stilempfinden passenden Anlage liegt. Ein Traum von einem Zimmer. Interieur, Wandbemalung, kräftige Farben, alles ist aufeinander abgestimmt und macht jedem Gast unmissverständlich klar „du bist in Afrika“. Eine schöne Überraschung bietet der Blick aus dem Fenster. Ein hübscher Ausschnitt des afrikanischen Buschs, als hätte man ihn in den Rahmen eines Bildes gemalt und an die Wand gehängt. Das tollste aber ist der „Kili“! Er präsentiert sich um diese frühe Nachmittagsstunde in voller Pracht und „Bildmitte“.

Mir gefällt es hier. Nach Tagen im Zelt unter primitivsten Bedingungen lasse ich mich gerne verwöhnen. Roland leidet ein wenig unter Luxus und Rummel dieser Herberge. Der Übergang von Einfachheit, Armut und Natur pur in diese Oase des Reichtums und der Zivilisation war auch sehr abrupt. Zuvor schätzten wir sie als Guides, Köche, Träger, Fahrer oder Grenzbeamte, als Menschen eben, ohne deren Zutun, Hilfe und Erfahrung die Reise nicht möglich wäre. Hier bedienen servile schwarze Lakaien in perfekter Livree piekfein gekleidete, in einem Nebel von Wohlgeruch schreitende Touristen. Der Ort strahlt ohne Zweifel ein gewisses Maß spätkolonialer Dekadenz aus. Aber höchstwahrscheinlich ist dieses Empfinden schwächer oder bleibt ganz aus, wenn zwischen Flugzeug und Safari keine neun Trekkingtage in der Wildnis liegen.

Beim Mittagessen bricht der Überfluss alle Rekorde. Vor- und Hauptspeisenbüffet haben an der Last der Köstlichkeiten schwer zu tragen. Beschreiben kann ich das nicht, die pure Aufzählung bliebe unvollständig, und außerdem isst ja auch das Auge mit. Es gibt praktisch alles was man sich vorstellen kann und auch einiges, was man nicht erwartete. Aber das ist alles nichts gegen das Nachspeisenangebot! Alle guten Vorsätze sind angesichts solcher Schlemmereien sofort, vollständig und bis zur letzten Mahlzeit in diesem kenianischen „Gourmettempel“ Makulatur. Nach dem letzten Bissen Kuchen schmerzt mein Bauch entsetzlich. Vielleicht waren die anderen etwas weniger unvernünftig, allem Anschein nach hatten aber auch sie der köstlichen Verführung nichts entgegenzusetzen.

Erst für 16 Uhr sind wir mit Ali zur ersten richtigen Pirschfahrt verabredet. Ines beschließt, endlich die Ansichtskarten zu schreiben. Der schönste Platz dafür bietet sich unmittelbar neben unserem Zimmer an. Im Schatten großer Bäume, Büsche und Euphorbien nehmen wir auf einer hölzernen Sitzgruppe Platz. Ich schreibe derweil meine Erlebnisse auf. Ab und an wandert mein Blick in den dichten Busch jenseits des Elektrozaunes. Wieder „wittere“ ich die Nähe von Wildtieren, wie vor Tagen in den Chyulu Mountains, als könnte jeden Moment eine Giraffe oder gar ein Löwe aus dem Geäst hervorbrechen. Natürlich geschieht nichts dergleichen.

Auf dem Weg zum Parkplatz bewundere ich wieder die herrliche Hotelanlage. Beinahe pausenlos sind Angestellte damit beschäftigt Zimmer herzurichten, den Weg zu kehren, die Rabatte zu pflegen. Nur schüchtern erwidern sie mein „Jambo“, als gälte es, möglichst unsichtbar zu bleiben, die Gäste mit der eigenen Anwesenheit nicht zu stören. Am riesigen, türkisgrünen und fast steril sauber wirkenden Swimmingpool müssen wir auch vorbei. Er wurde etwas erhöht angelegt und so hat man zwischen zahlreichen Bäumen und Büschen einen schönen Blick bis weit in die Savanne. Ali wartet schon und nach kurzer Zeit beginnt die mit Spannung erwartete Pirschfahrt.

Wie viele andere Busse, fahren wir die zahlreichen Pisten im Nationalpark entlang. Zu sehen gibt es ständig etwas, Gazellen, etwas dümmlich dreinschauende Gnus, grasende Zebras und zur allgemeinen Freude auch Elefanten. Die erste Gruppe lässt sich beim „Staubduschen“ beobachten. Mit dem Rüssel wird Sand aufgenommen und dann über Rücken und Flanken geblasen. Sie scheinen vor kurzem im Wasser gewesen zu sein, bis knapp unter Schulterhöhe ist die Haut noch dunkel. Diese Hochebene (ca. 1700 m) unweit des Kilimanjaro ist ein Paradies für Wildtiere. Sie werden nicht gejagt, es gibt ausreichend Futter für alle und Wasser in Hülle und Fülle. Zahlreiche Sümpfe und sogar ein größerer See bieten sich für Vollbäder an. In der Nähe eines der Sümpfe findet der nächste Elifototermin statt. Mehrere gönnen sich das kühlende Bad, Vögel stehen dabei auf ihren Rücken. Die werden nicht nur geduldet, sie leisten den Dickhäutern wichtige Dienste, weil sie Parasiten aus der Haut entfernen. Allergrößtes Entzücken erntet das Bad eines der Elefantenkinder: Bis auf Kopf und Rüssel verschwindet der Kleine gänzlich in der dunklen Brühe.

Haltepunkt reiht sich an Haltepunkt, wundervolle Szenen, tolle Bilder. Ali kann auch die eintretende „Sättigung“ bei seinen „Kunden“ einschätzen. Längst hält er bei Gnus, Thompsongazellen oder Zebras nur noch auf Zuruf oder wenn sie besonders massiert auftreten. Spätnachmittagsstimmung über der Savanne: Die Bewölkung hat zugenommen und die vormals kleinen Wattebäusche werfen vielerorts ausgedehnte Schatten. Wunderschöne Blicke Richtung Kilimanjaro: Zebras und Gnus haben sich malerisch in hellgelbem Grasland vor dem wolkenumrahmten Kibo positioniert. Noch ein Highlight: Rund zwanzig Meter neben einer der Pisten hausen zwei Hyänen in ihrem Erdbau. Ali hat sie sicher ganz bewusst angesteuert, weil diese Tiere nicht wandern und daher einen einigermaßen sicheren „Lokaltermin“ darstellen. Aber DAS wird sicher nicht immer geboten. Ein winziger Welpe mit fast schwarzem Fell klettert unbeholfen aus dem Bau und stolpert mit unsicheren Schritten von einem Erdloch zum nächsten. Die Fahrt hält Spannung und Begeisterung auf hohem Niveau. Büffel fehlen noch in der Sammlung. Aber nicht mehr lange, dann ist eine größere Ansammlung von ihnen in einem sich unmittelbar beidseits der Piste erstreckenden Sumpf zu beobachten. Schwerfällig wirken sie mit ihren tonnenschweren, dunklen Körpern und breiten Köpfen. Mit den massiven Hörnern auf ihrem Kopf möchte ich keine Bekanntschaft schließen. Angreifende Löwen müssen sich vorsehen, von diesen Waffen nicht verletzt zu werden. Fettes Sumpfgras scheint eine besondere Delikatesse darzustellen, dafür nehmen sie das erschwerte Vorwärtskommen im tiefen Morast des Sumpfes in Kauf. Bis zum Bauch eingesunken, müssen sie für jeden Schritt viel Kraft aufwenden.

Gibt es noch dringende Herzenswünsche an Bord des Safaribusses? Roland hegte einen - unausgesprochen. Und so unerwartet, wie die durstigen Elefanten heute Mittag erschienen, wird er ihm erfüllt. Eigentlich ist es die Kombination zweier Träume - Elefanten vor dem Kilimanjaro! Und das als Foto mit nach Hause nehmen. Etwa dreißig der sanften Riesen grasen friedlich vor uns in der Savanne. Die Sonne steht tief über dem Horizont und taucht die faszinierende Szene in intensive, warme Farben. Einige haben die Piste schon überquert. Um nicht zu provozieren, fährt Ali nur mit äußerster Vorsicht noch ein Stück auf sie zu. Zuletzt sind wir nicht mehr als zwanzig Meter entfernt. Mit dem Rüssel reißen sie Grasbüschel um Grasbüschel ab und schieben es in die hungrigen Mäuler. Aus dieser Entfernung entgeht kein Detail. Die in allem Tun verspielten Elefantenkinder halten sich wieder schutzsuchend ganz dicht bei den Großen auf. Ein jüngerer Bulle nähert sich unserer Position, offensichtlich lockt ihn das hohe Gras am Straßenrand. Ganz geheuer scheint ihm diese weiße Blechkiste mit den Menschen im Ausguck nicht zu sein. Er rupft ein Grasbüschel, weicht zurück und wiederholt das Manöver. Das Auto irritiert ihn. Zuletzt vermittelt er bei aufgestellten Ohren und ein, zwei Schritten auf uns zu einen angriffslustigen Eindruck, weicht jedoch sofort zur Seite aus und folgt den anderen.

Bei solcherart Szenen bleibt man im Amboseli Nationalpark nie lange alleine. Mit uns versammelten sich fünf, sechs Fahrzeuge beidseits der Elefanten. Ali setzt zurück, wendet und fährt der tiefstehenden Sonne entgegen. Zwei, drei Mal halten wir noch, aber nur für die Dauer eines Fotos. Es ist als hätte er Ziel. Aber was sollte das noch sein? In einer Viertelstunde werden die Sonne verschwunden und alle Tiere unseren Blicken entzogen sein. Also will er zur Lodge zurück!? - Dann rollt der Bus ein letztes Mal aus und mein Fotografenpuls steigt. Die Sonne geht in berauschendem Farbenspiel unter! Vor diesem Hintergrund bilden sich eine Schirmakazie und, unweit links davon, ein toter Baum mit kahlen Ästen ab. Genau zur richtigen Minute hat Ali seine Passagiere vor dieses 1a-Motiv chauffiert. Mit seiner Erfahrung hat er uns ein Maximum an wunderschönen Ausblicken und Eindrücken an nur einem Nachmittag verschafft. Und wenn sich morgen überhaupt kein Tier mehr zeigen sollte - uns kann es egal sein …

Der Kulturschock ist bei der zweiten Lodge-Ankunft so schlimm schon nicht mehr. Das wenig später folgende, abendliche Fressgelage dafür umso mehr. Hauptgang und Suppe wählen wir aus den Alternativen der Abendkarte. Vorspeisen und Desserts offeriert wieder das üppige Büffet. Zur Feier des erlebnisreichen Tages bestelle ich eine Karaffe Wein. Auf der Karte steht auch ein Fischgericht. Die Bezeichnung des Fisches liest sich für deutsches Verständnis - nach ein klein wenig Lautverschiebung - so ähnlich wie „Baby Hippo“. Die Vorstellung ein „kleines“ Flusspferd vorgelegt zu bekommen, lässt den Tisch beim Aufgeben der Bestellung in lautes Gelächter ausbrechen. Da die nette Kellnerin, sie hat uns bereits mittags bedient, sicher nicht kapiert, „why the Germans are laughing“, kläre ich sie mit ein paar Sätzen auf. Am Ende versteht sie es, meinem ungeübten Schulenglisch zum Trotz und amüsiert sich den Rest des Abends mit uns.

Nach dem Dinner dusche ich, ziehe langärmlige Sachen gegen die Moskitos an und finde die Runde quietschvergnügt bei Cocktails (Inge und Ines) und Bier (Roland und Matthias) auf der Terrasse der Lodge. Zu Knabbern gibt es Nüsse, Chips und eingelegte Hühnerbeine. Das Abendessen war einfach zu wenig und deshalb müssen hier noch ein paar Kalorien zusätzlich rein - Hilfe! - Wir genießen die warme afrikanische Nacht mit den typischen Geräuschen des Buschs, einem brillanten Sternenhimmel und der in diesen Breiten halb auf der Seite liegenden Sichel des Mondes …